„Wer, was, wozu und warum?“ – Praxiswerkstatt zu Zeitzeugen(schaft) in der Vermittlungsarbeit

Ein weiteres Mal fand die Praxiswerkstatt des Forschungsverbundes „Das umstrittene Erbe von 1989“ statt. Am 13. und 14. Juni 2022 kamen Bildner*innen der historisch-politischen Vermittlungspraxis in Leipzig zusammen, um das Thema „Zeitzeugen(schaft)“ aus verschiedenen Perspektiven und in Bezug auf die eigene Bildungsarbeit zu diskutieren.

Dr. Christian Ernst führte im Vortrag „Geschichte im Dialog? ‚DDR-Zeitzeugen‘ in der Bildungspraxis“ grundlegend in das Thema ein und gab u.a. Antworten auf die Fragen: Woher kommt der Begriff ‚Zeitzeugen‘ und was bedeutet er? Wer sind eigentlich Zeitzeug*innen in der außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung und wer nicht? Warum und wozu werden sie in der Bildungspraxis eingesetzt? Bereits während seines Inputs hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Der informative und anschauliche Beitrag gab zahlreiche Impulse, welche die Gruppe während des gesamten Verlaufs der Praxiswerkstatt immer wieder aufnahmen. Bereits im Anschluss gab es dazu umfassend Gelegenheit: In verschiedenen methodischen Settings verorteten die Teilnehmenden sich und ihre Arbeit u.a. innerhalb der von Christian Ernst aufgespannten Parameter. Beispielsweise gingen sie in einer Art World-Café-Format der Frage nach, wie ihre Bildungsarbeit aussehen würde, wäre die Arbeit mit Zeitzeug*innen plötzlich nicht mehr möglich.

Dr.in Agnès Arp gab zum Auftakt des zweiten Tages Einblicke in die Arbeit der Oral-History-Forschungsstelle (OHF) der Universität Erfurt. Die Forschungsstelle beschäftigt sich mit Lebensverläufen von ‚Ostdeutschen‘, führt und sammelt hierzu biografische Interviews, bereitet diese auf und stellt sie als Forschungsdaten zur Verfügung. Darüber hinaus hat es sich die OHF zur Aufgabe gemacht, Forschung und gesellschaftliche Debatten in einen Austausch zu bringen und die Methode der Oral History fundiert und qualifiziert zu vermitteln. Für die Teilnehmenden der Praxiswerkstatt gab dieser spannende Input von Agnes Arp u.a. Anlass zu der Frage, welche Schnittmengen zwischen Oral History und der Bildungsarbeit mit Zeitzeug*innen bestehen.

Den weiteren Verlauf der Werkstatt gestalteten die Teilnehmenden dann  entsprechend der bis zu diesem Punkt der Werkstatt entstanden Fragen und hinsichtlich ihrer Bedürfnisse selbst. Dazu entwickelten sie drei Fragestellungen, die sie gemeinsam bearbeiteten: Sie fragten sich, wie ein Traumzeitzeugenformat aussehen würde, wie die Einbindung von Zeitzeug*innen inhaltlich und strukturell gut gelingen kann und welche Bedeutung bestehende pädagogische Standards für die eigene Vermittlungsarbeit haben (können). Zum Abschluss der Werkstatt hatten die Teilnehmenden Raum für Feedback und Anregungen. Ein Fazit war, dass der Bedarf an dieser Art der Praxiswerkstatt nach wie vor sehr hoch bleibt – viele der Beteiligten wünschen sich ein Fortbestehen dieses Formats auf lange Sicht.

Wie die vorangegangenen Praxiswerkstätten, so zeichnete sich auch diese durch eine interessierte, produktive und angeregte Atmosphäre aus. Wir bedanken uns bei allen, die dabei waren.